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Kassem Taher Saleh, neues Kuratoriumsmitglied

Räume, um Kraft zu schöpfen

verfasst von Imke Borchers

Imke Borchers

Imke Borchers ist Beraterin bei KOMBÜSE – Kommunikationsbüro für Social Entrepreneurship und kommuniziert unter anderem auch für START. #Gerechtigkeit, #Literatur #Sprache

 

Der erste START-Alumnus im Bundestag und im START-Kuratorium: Kassem Taher Saleh geht außergewöhnliche Wege. Noch dazu ist er das erste ostdeutsche Kuratoriumsmitglied. Als 10-Jähriger ist Kassem mit seinen Eltern aus der irakischen Stadt Zakho nach Deutschland geflüchtet und wuchs von dort an in Plauen im sächsischen Vogtland auf. Das START-Stipendium hat er von 2010 bis 2013 durchlaufen. Freundinnen, die ebenfalls bei START waren, hatten ihm das Programm empfohlen. „Das ich jetzt Mitglied des Kuratoriums von START bin, ist eine große Ehre für mich. Ich möchte START etwas von dem wiedergeben, was ich, meine Geschwister, meine Eltern und meine Community in Plauen erfahren haben.“

 

Im vergangenen Jahr wurde der 29-Jährige in seinem Dresdner Wahlkreis für Bündnis 90/ Die Grünen in den Bundestag gewählt – bei seiner ersten Parlamentswahl als deutscher Staatsbürger. Was hat den Bauingenieur bewegt, beruflich in die Politik zu gehen? „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich mit ehrenamtlichem Engagement zwar einiges verändern kann, es aber eine Grenze gibt. Die Gesetze, um beispielsweise entsprechende Rahmenbedingungen für Geflüchtete zu schaffen, die werden im Parlament abgestimmt. Ich möchte an dem Tisch sitzen, an dem Fördergelder verteilt und gesetzliche Grundlagen geschaffen werden. Denn dort sitzen oft nur Personen, die keinen Zugang zu den Leuten haben, um die es in den Entscheidungen geht.“

 

Engagiert war Kassem schon immer: „Als wir nach Deutschland gekommen sind, musste ich mit zehn Jahren für die Menschen aus meiner Community auf dem Amt dolmetschen, sie zu Arztbesuchen begleiten. Das hat mir Spaß gemacht. Parallel dazu musste ich mich ins Bleibe- und Asylrecht einarbeiten. Ich war Schülersprecher und Schiedsrichter beim Fußball.“ Hat seine START-Erfahrung ihn politisiert? „START war das Fundament für mein politisches Engagement. Im START-Netzwerk habe ich gelernt, politische Diskussionen zu führen, meine Meinung auszudrücken. Ich war Stipendiatensprecher der neuen Bundesländer. Durch die Freundinnen und Freunde in Dortmund, in Berlin konnte ich sehen, was anderswo läuft, meine Perspektive hat sich extrem erweitert.“

 

Heute findet er START mehr denn je relevant: Die Geflüchtetenzahlen steigen nicht zuletzt wegen der Klimakrise, Deutschland ist aufgrund von demographischem Wandel und Fachkräftemangel zunehmend auf Zuwanderung angewiesen. Hier sieht Kassem START in der Verantwortung, den Menschen, die zu uns kommen, alle Möglichkeiten zu geben, damit sie aktiv an der Gesellschaft teilnehmen können. Er fordert mehr Diversität; in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen müssten mehr Menschen mit Migrationsbiografie verantwortliche Rollen übernehmen.

 

Kassem selbst übernimmt diese Verantwortung nicht nur im Bundestag, sondern künftig auch im START-Kuratorium. Wie er die Arbeit der Stiftung unterstützen möchte? „Früher stand bei START der Leistungsgedanke sehr stark im Vordergrund. Ich finde es wichtig, daran auch weiterhin anzuknüpfen. Aber mindestens genauso wichtig ist der Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Außerdem hat START noch mehr Außenwirkung verdient. Mit den Erfahrungen aus 20 Jahren kann die Stiftung sich mit Unternehmen und Politik austauschen, Expertise weitergeben, Allianzen knüpfen. Dafür möchte ich START gerne öffnen. Denn ich würde mir wünschen, das START noch mehr Jugendliche fördert als ohnehin schon.“

 

Für die aktuellen Stipendiatinnen und Stipendiaten hat er einen Rat: „Um Veränderungen anzustoßen und die drängenden Probleme anzugehen, brauche ich viel Kraft und die muss ich irgendwo schöpfen. Bleibt euren Wurzeln, eurer Herkunft treu, vergesst eure Familie nicht! Das ist das A und O, das merke ich persönlich auch gerade. Dort finde ich die Räume, die mir helfen, von den krassen, anstrengenden Tagen wieder runterzukommen.“


Imke Borchers

Imke Borchers ist Beraterin bei KOMBÜSE – Kommunikationsbüro für Social Entrepreneurship und kommuniziert unter anderem auch für START. #Gerechtigkeit, #Literatur #Sprache