Impuls
Sind Stiftungen und Organisationen Türsteher?
Auswahlgremien (z.B. bei einem Stipendienauswahlprozess) beeinflussen mit ihren Entscheidungen das Leben von Menschen. Sobald eine Organisation limitierte Plätze für Angebote zur Verfügung hat, muss sich eine Jury entscheiden, wer aufgenommen wird. So wie Türsteher stehen Auswahlgremien auch metaphorisch vor entscheidenden Türen und können diese entweder öffnen oder verschließen. Die Vergabe eines Stipendienplatzes oder einer Teilnahmemöglichkeit an einem Bildungsprogramm eröffnet oder verwehrt Chancen. Dieser höchst verantwortungsvollen Aufgabe sollten sich Organisationen bei ihrem gesellschaftlichen Auftrag bewusst sein.
Best-Practice: START-Stiftung
Als START-Stiftung sind wir uns darüber bewusst, dass nicht alle Jugendlichen mit den gleichen Voraussetzungen starten. Und auch bei Jugendlichen mit Migrationsbezug gibt es Unterschiede in den Startvoraussetzungen, denn sie sind keine homogene Gruppe, sondern Individuen mit einem einzigartigen Lebensweg. Aus diesem Grund haben wir bei der Auswahl unserer Jugendlichen für die Programme von START einen diskriminierungskritischen und holistischen Blick: Wir nehmen den ganzen Menschen in den Fokus und schauen uns seine individuelle Situation an. So gibt es beispielsweise auch bei unserem Auswahlkriterium „Soziales Engagement“ Unterschiede, die wir bei der Selektion berücksichtigen. Zu „Engagement“ zählen wir daher über den ehrenamtlichen Einsatz in der Klasse, Schule oder in einem lokalen Verein hinaus auch die Unterstützung für die eigene Familie, z.B. bei Behördengängen, Dolmetschen/Übersetzen oder medizinischen Terminen. Denn oft erfordert die Lebensrealität bestimmter Jugendlicher die frühe Übernahme von Verantwortung innerhalb ihrer Familien und ihre zeitlichen Kapazitäten sind dadurch so limitiert, dass sie keiner Form von externem Engagement nachgehen können. Ferner sind nicht alle Jugendlichen in Deutschland geboren und aufgewachsen. Daher können wir von ihnen auch nicht den Nachweis einer organisierten Form von Engagement wie in deutschen Vereinsstrukturen erwarten. Auch setzen wir bei der Vergabe von Fördermöglichkeiten die schulischen Leistungen oder die besuchte Schulform immer in Relation zum Hintergrund der Schüler*innen. Unterschiedliche Startvoraussetzungen wie geografische oder soziale Herkunft sowie Möglichkeiten einer Förderung seitens der Familie können über Noten und den Besuch einer Schulform entscheiden. Uns geht es daher vordergründig um die Zukunft der Jugendlichen, um ihr Potenzial.
Bei START ist uns wichtig, dass der Mensch und seine Bedürfnisse sowie Bedarfe im Mittelpunkt stehen. Daher fördern wir bedarfsorientiert und bemühen uns, die Lebensrealität der Jugendlichen zu berücksichtigen. Hierfür passen wir nun unser Bildungsprogramm an die Lebensrealitäten unserer Geförderten an und setzen Schwerpunkte in der Förderung (z.B. berufliche Orientierung). Nicht die jungen Menschen sollten sich an unser Programm anpassen, sondern das Programm an ihre Lebensentwürfe.
Tipps für Ihre Organisation:
- Gestalten Sie Ihren Auswahlprozess diversitätssensibel und diskriminierungskritisch
- Haben Sie bei Ihrem Auswahlprozess die Person als Ganzes im Blick
- Beurteilen Sie die Person nicht als Teil einer Gruppe, sondern als Individuum
- Passen Sie Ihre Förderinstrumente an die Lebensrealitäten Ihrer Geförderten an